Wer alltägliche Notwendigkeiten zusammen mit einem kleinen Kind zu bewältigen hat, weiß, dass kleine spielerische Routinen das Ganze etwas auflockern und somit erleichtern. Das Amtsgericht Neunkirchen (AG) musste über einen Fall entscheiden, bei dem ein Vater seiner Tochter erlaubte, nach Beladen des Familienautos den leeren Einkaufswagen zurückschieben zu dürfen. Sie ahnen womöglich, was folgte. Nachdem der Einkaufswagen geleert war, erlaubte der Vater seiner fünfjährigen Tochter, den Wagen zur Sammelstelle zurückzuschieben. Er selbst ging nicht mit. Es kam, wie es kommen musste: Das kleine Mädchen verlor die Kontrolle über den Wagen, der daraufhin mit einem geparkten Pkw kollidierte. Logischerweise forderte der Geschädigte nun Schadensersatz. Der Vater aber verweigerte die Zahlung, denn schließlich sei seine Tochter mit ihren erst fünf Jahren nicht verantwortlich zu machen. Und seiner Meinung nach läge auch keine Aufsichtspflichtverletzung vor, da er schon mehrfach mit der Tochter den Einkaufswagen weggebracht habe und ihr beigebracht hatte, wie man diesen sicher schiebt. Die Endung des letzten Satzes mag nahelegen, wie das AG entschied - und zwar dahingehend, dass der Vater seine Aufsichtspflicht verletzt hatte. Zwar konnte festgestellt werden, dass das Mädchen ein aufmerksames, wissbegieriges Kind sei, das Anweisungen auch verstehe. Das Gericht argumentierte aber, dass es sich bei dem Einkaufswagen um einen nicht alltäglichen Gegenstand handelt, der bewegt wurde. Unabhängig von dem eigenwilligen Bewegungsverhalten der Einkaufswagen, das selbst ausgewachsene Menschen hinlänglich kennen, war zudem zu berücksichtigen, dass der Wagen ca. 1 m hoch war und schon allein aufgrund der Größenverhältnisse nicht davon ausgegangen werden konnte, dass das Kind den Wagen ständig unter Kontrolle habe. Aufgrund der frei beweglichen Räder könne auch ein unverhoffter Richtungswechsel nie auszuschließen sein. Weiterhin war noch zu berücksichtigen, dass sich im Wegebereich Fahrzeuge befanden, so dass die Gefahr einer Beschädigung fremder Sachen nicht ganz fernlag. Unter diesen Umständen hätte der Vater zumindest mitgehen müssen, um gegebenenfalls lenkend einzugreifen.
Hinweis: Im Straßenverkehr richtet sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach der konkreten Gefahrensituation, wie sie sich beispielsweise aus dem Straßenverlauf, der Verkehrsdichte und der Verkehrssituation ergibt. Das Gleiche gilt für die Belehrung des Kindes für das Verhalten im Straßenverkehr. Der Aufsichtspflichtige muss in der konkreten Gefahrensituation die richtigen Anweisungen gegeben haben, die ihm zumutbar und nach der Lebenserfahrung geeignet sind, einen Schaden hinsichtlich dritter Personen zu verhindern.
Quelle: AG Neunkirchen, Urt. v. 26.05.2023 - 4 C 33/22 (02) zum Thema: Verkehrsrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht Dr. Albrecht Dietze